Der lange Weg...

Kasi wird muTiger! Erlebnisse mit einem scheuen Katzenkind

 

Hier kommt Kasis Geschichte, die bereits vor einiger Zeit in einzelnen Blogartikel erschienen ist. Weil mir diese Geschichte sehr am Herzen liegt und sich alles in einem zusammenhängenden Text besser lesen lässt, hier also nochmal die Geschichte komplett.

Von dem ängstlichen Katzenkind, dass einmal sehr mutig und fröhlich werden sollte!

 

 

 

In der Kolumne "muTiger" werde ich Kasis Geschichte erzählen. Von vielen kleinen Erlebnissen, die es mit sich bringt ein scheues Katzenkind zu zähmen. 

Wieviel Geduld, Ideenreichtum, Zeit und Liebe es braucht, bis ein scheues Tier Vertrauen fasst. Aber auch davon, dass sich jede Mühe lohnt und die Bindung zu diesem Tier eine ganz Besondere werden kann!

 


Teil 1

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Kasi - ein Katzenwildling zieht ein

(obiger Bild/Textnachweis Tierheim Steinhuder Meer)
Kasi als "Kater Linos"

Nachdem unser alter Kater Socke verstarb, wollten wir etwas Gutes tun und einer Tierheimkatze ein zuhause geben. Ein Kater sollte es wieder sein und auf der Internetseite des Tierheims fand ich den kleinen "Kater Linos", der auf den Fotos ziemlich ängstlich in die Kamera blickte, aber mit seinen großen Fledermausohren einfach zum Verlieben süß aussah!

Nach einem kurzen Telefonat mit dem Tierheim fuhren wir los und besuchten das kleine Kätzchen und seinen Bruder. 

 

 

Die kleinen Katzen waren nicht zahm, beim Füttern konnte man sie kurz anfassen. Aber in der nächsten Sekunde waren sie schon wieder entwischt und tollten im Zimmer umher. Die Kleinen waren von einer scheuen Straßenkatze geboren. Und so ist auch Kasi (Linos) die ersten wichtigen 8 Wochen ihres Lebens ohne Kontakt zu Menschen aufgewachsen. Danach folgten 4 Wochen im Tierheim, bevor wir am 27. Dezember 2015 das Kätzchen zu uns nach Hause holten. 

Wir änderten den Namen in Kasimir. Und später nochmal in Kasimia... denn wie Ihr sicher mitbekommen habt, ist Kasi ein Katzenmädchen! So entstand  übrigens auch der Name dieser Website! ;-)

Die darauf folgenden Wochen wurden sehr turbulent...

 

 

Kasi bei unserem ersten Treffen im Tierheim
Kasi bei unserem ersten Treffen im Tierheim

Teil 2

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Kasi zog vorerst in unser Schlafzimmer und verkroch sich dort die ersten Tage ängstlich unter dem Bett. Waren wir nicht dabei, hörten wir wie sie alles erkundete. Kaum hörte sie jedoch Schritte, war sie wieder unter dem Bett verschwunden.

 

Nachdem uns klar wurde, dass es nicht einfach werden würde das Kätzchen zu zähmen, musste ein Schlachtplan her! Und der hieß: "Routine"...

 

Da Not erfinderisch macht und ungewöhnliche Situationen ungewöhnliche Maßnahmen erfordern, begann ich wie folgt:

die Hauptroutine bestand in einem bestimmten Fütterungsritual.

Auf ein Tablett stellte ich den gefüllten Futternapf. Ich setzte mich damit auf den Fußboden an die Wand gelehnt, legte das Tablett auf meinen Schoss und wartete geduldig bis Kasi sich auf das Tablett traute um zu fressen. So konnte sie sich an meine Nähe gewöhnen. Mit der Zeit konnte ich sie beim Fressen vorsichtig streicheln (sie duldete es, gefallen hat es ihr vermutlich nicht).

 

Dieses Ritual machten wir jeden Morgen und jeden Abend mit Nassfutter. Kleine Trockenfuttermahlzeiten zwischendurch hat sie sich beim Spielen erarbeitet. Ich warf z.B. Futterstücke durch den Raum und sie flitzte hinterher. Ein Spiel, was sie bis heute sehr liebt! 

 

Spielen war also unsere zweite Routine. Und schnell war klar: Kasi liebt Action! Hinter Bällen oder Spielzeug hinterher zu rennen, ließ sie für den Augenblick die Angst vergessen. Sie hatte richtig Spaß daran!

 

Der nächste Schritt war, dass Kasi sich nicht ständig unter dem Bett verstecken sollte. 

Also richteten wir ihr eine "neutrale Zone" ein. Ein Ort nur für sie, wo wir sie nicht stören und überhaupt nicht beachten würden... 

 

Also stellten wir ihr ein kuscheliges Körbchen in eine Ecke des Zimmers, in eine Korbhöhle. Von hier aus konnte sie alles genau beobachten und wir konnten sie sehen. (Aber wir ließen sie hier drin absolut in Ruhe!)

 

Sie nahm dieses Plätzchen schnell an. Einige Tage später:  ich war mit ihr im Zimmer und las ein Buch... als ein merkwürdiges Geräusch zu hören war. Ich öffnete das Fenster und blickte zum Himmel. Ich vermutetet einen Hubschrauber oder eine Drohne. Aber es war nichts zu sehen. Eigenartig. Ich las weiter.

Dann war es wieder da, das Geräusch... ein gleichmäßiges tiefes Brummen.

 

Und dann war mir klar: es war Kasi, die in ihrem neuen Körbchen ganz entspannt da lag und laut schnurrte! Noch nie habe ich eine Katze so laut schnurren hören, wie Kasi!

Ein erster Teilerfolg! :-)

Spielen macht Spaß! 


Teil 3

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Mit einer kleinen Katze im Haus stand fest: es regiert das absolute Chaos!

 

Die ersten 4 Wochen war Kasi ausschließlich in unserem Schlafzimmer, das in kürzester Zeit zum Katzenkinder Abenteuerspielplatz mutierte. Ein Kratzbaum zog ein, ein Spieltunnel, Spielschienen mit Bällen und ein Futterlabyrinth. Dazu immer mal wieder ein neuer Karton mit Löchern zum reinkriechen, oder gefüllt mit Laub.

Aber auch andere "Spielsachen" aus der Natur wie Vogelfedern, kleine Äste oder Tannenzapfen fand sie toll.

Das absolute Lieblingsspielzeug aber waren: komplette Erdnüsse. Die schoss sie mit ihren Pfoten quer durch den Raum und jagte hinterher. Trug sie im Maul stolz durch die Gegend. Aber nach der Spielstunde musste sie sie wieder abgeben, damit sie sich nicht unbeaufsichtigt daran verschlucken konnte.

Das hatte sie nach einer Weile raus und begann die Erdnüsse in ihrem Schlafkorb unter der Decke zu verstecken, um dann später damit weiter zu spielen! Clever war sie schon immer!

(Eigentlich hätte man da ja schon ahnen können, dass sie ein Katzenmädchen ist und kein Kater! ;-))

Wer sich wundert, dass es uns nicht früher aufgefallen ist, dass Kasi kein Kater war... Sie war einfach zu schnell, als das man da hätte drauf achten können. Streicheln ließ sie sich nach wie vor nur beim Füttern. Mehr war nicht möglich. Sobald ihr ansonsten eine Hand zu nah kam, war Kasi auch schon wieder verschwunden.

Aber sie wurde langsam immer mutiger. Sie freute sich auf die Spieleinheiten und bald schon hatte sie ihren ganz eigenen Schlachtruf, wenn sie etwas ganz besonders toll fand.

 

Ein lang gezogenes "Bruuuuuuuaaaaa".

 

"Bruuuaa" bedeutet bei ihr viele verschiedene positive Dinge:

 

- Ich hab Spaß!

- Gute Laune!

- Ich will laufen und springen!

- Bruuaa- schön dass Du da bist!

- Bruuaa - ich bin viel schneller als Du!

- Bruaaa - juchhuu, gleich gibt es was leckeres zu essen!

 

Mit Bruaaa begrüßt sie auch heute immer ihre beste Freundin Hermine!

(Die hat das "Bruuaa" in einer leicht abgewandelten Form inzwischen auch für sich übernommen.)

 

Ja, Kasi war ganz viel "Bruuuaaa" und wir hatten Spaß mit ihr.

Aber handzahm war sie noch lange nicht! ;-)

 

 

 

 


Teil 4

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Spielbretter? Ein Klacks! In sekundenschnelle geplündert...
Spielbretter? Ein Klacks! In sekundenschnelle geplündert...

 

Kasi durfte nun endlich das ganze Haus erobern. Das fand sie super spannend! 

Etwa zu dieser Zeit fiel mir auf, dass sie ein Katzenmädchen ist und gar kein Kater. (Nicht weiter schlimm, eher lustig, dachte ich. Obwohl andere Familienmitglieder bis zum Tag der Kastration noch hofften, dass es bestimmt doch ein "Kasimir" ist... :-))

Das eigentliche Problem war, dass Kasi schon sehr gut auf ihren Namen hörte.

 

 

Also blieb nicht viel anderes übrig, als den Namen in Kasimia abzuändern.

Streicheln fand sie übrigens immer noch überflüssig. Aber immerhin kuschelte sie sich schon mal an unsere Beine, wenn wir zusammen auf dem Sofa waren.

 

Ich hatte vom Clickertraining gehört und beschloss, das Ganze einfach mal auszuprobieren. Vielleicht würde das ja den bahnbrechenden Erfolg bringen. 

Der Erfolg kam schnell, aber eher auf anderer Linie!

Es zeigte sich, dass Kasi einen riesigen Spaß am Clickertraining hat. Innerhalb kürzester Zeit lernte sie Tricks, wie:

"Sitz", "Dreh Dich", "High 5". Auf Kommando springt sie durch Reifen, über Kartons.

 

Einen ganzen Parcours aus Aufgaben und Hindernissen erledigt sie schnell und geschickt und lässt dabei jeden Agility Hund vor Neid erblassen! ;-)

 

Sie liebt diese Aufgaben bis heute und hat seitdem noch etliches dazu gelernt.

Sie kann z.B. ihren Namen sagen! Wenn ich sie frage:

"Wie heißt Du? KASI..."  dann beendet sie den Satz mit einem miauten "MIA"

 

Auf Fingerzeig und Kommando "Los" rennt sie in eine bestimmte Richtung.

Es ist einfach Wahnsinn, wie lernbegierig und intelligent diese kleine Katze ist!

 

Aber würde sie auch noch ein Kuscheltiger werden? 


Teil 5

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Vertrauen-das größte Geschenk!
Vertrauen-das größte Geschenk!

Den Tag, an dem ich Kasi zum ersten Mal richtig streicheln konnte, werde ich nie vergessen...

 

Kasi suchte zwar unsere Nähe, aber sie war im allgemeinen noch sehr schreckhaft. Jede kleine noch so unbedeutende Fehlbewegung, ein Klingeln an der Haustür bedeutete: Flucht! Ab ins sichere Versteck ins Schlafzimmer und abwarten bis sich alles beruhigt hat.

 

Die Abende nach der gemeinsamen Spielstunde verbrachte sie immer zusammen mit uns im Wohnzimmer.

An diesem einen Abend aber war sie nicht da. Ich ging ins Schlafzimmer, wo sie einsam auf dem Bett kauerte und irgendwie traurig aussah. 

Ich hockte mich zu ihr und streckte ihr meine Hand entgegen. So wie ich es schon oft zuvor getan hatte. Eine Einladung zum Anschmiegen, die sie bisher nie angenommen hatte.

Doch dieses Mal war alles anders... sie warf sich mit ihrem ganzen Körper gegen meine Hand und wollte gestreichelt werden! Vorsichtig streichelte ich ihr Köpfchen und zum allerersten Mal fing sie beim Streicheln an zu schnurren! Es war wie ein Geschenk, eine Belohnung für die lange Zeit des Wartens, der Geduld und auch der vielen Arbeit. 

Jemand, der eine von Anfang an zahme Katze hat wird es vielleicht nicht nachvollziehen können. Aber für mich war das der schönste Augenblick, den ich je mit einem Tier zusammen erleben durfte! Es bedeutete: VERTRAUEN!

Nach Wochen des Wartens ließ sich Kasi endlich streicheln...
Nach Wochen des Wartens ließ sich Kasi endlich streicheln...

Teil 6

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Das Kasi sich zum ersten Mal richtig streicheln ließ, war ein enormer Fortschritt!

 

Aber dennoch war sie damit nicht sofort richtig zahm.

Das Streicheln ging nur, wenn sie ganz entspannt war.

Also meistens abends, wenn sie müde auf dem Sofa lag.

Tagsüber war sie immer noch sehr aufgedreht und das Spielen

und Rumtoben war ihr viel wichtiger!

Dennoch kamen im Laufe der Zeit viele kleine Fortschritte.

Beim Füttern strich sie mir jetzt um die Beine.

Sie wurde allgemein mutiger und hielt auch mal Situationen aus,

in denen sie vorher geflüchtet wäre.

 

Die 3 größten Fortschritte aber waren:

 

1)

Nach ihrem ersten Aufenthalt in der Katzenpension während unseres Urlaubs...

Als wir sie von dort abholten war sie wie aufgetaut und man spürte ihre Freude, wieder

bei uns sein zu können.

 

2)

In der Zeit als Hermine zu uns kam!

Hermine ist eine richtige Kuschelkatze und Kasi hat sehr viel von ihr gelernt!

 

3)

Als sie in der Zeit vor Silvester Globuli gegen Angst bekam. Ich war nicht sicher,

ob das wirklich etwas bezwecken würde. Aber da tatsächlich eine Veränderung in ihrem Verhalten zu merken war, bekam sie die Globuli noch etwas länger.

Kasi war dadurch viel entspannter!

 

Mittlerweile ist Kasi 2 Jahre alt und fühlt sich bei uns sicher.

Sie lässt sich streicheln und hochheben.

Jeden Morgen springt sie ins Bett, drückt mir ihre Nase ins Gesicht, schnurrt,

möchte gestreichelt werden.

 

Hochheben geht noch nicht in allen Situationen, aber daran arbeiten wir.

 

Wenn wir Besuch bekommen oder z.B. ein Tierarztbesuch ansteht, ist sie immer noch sehr ängstlich. Aber damit können wir leben. Sie muss nicht jedem Besucher in die Tasche kriechen und es macht auch nichts, dass sie sich nicht von allen Leuten streicheln lässt.

 

Das Wichtigste ist: es geht ihr gut. Sie vertraut uns.

Sie macht immer noch Fortschritte und wir sind froh sie zu haben.

 

Sie ist anders als andere Katzen... Sie hat noch nie einen Menschen angefaucht, gekratzt oder gebissen! Wenn sie entspannt ist, dann lässt sie sich wirklich am ganzen Körper anfassen.

Es gibt keine "Tabuzonen" wie bei den meisten Katzen.

Für sie ist es in Ordnung unter den Pfoten oder unter dem Bauch gestreichelt zu werden.

 

Das sie all das eines Tages zulassen würde, hätte ich manchmal nicht geglaubt.

 

Im Nachhinein kann ich sagen: wir haben es uns am Anfang alles einfacher vorgestellt.

 

Es hat viel Zeit und vor allem Geduld gebraucht, bis Kasi das Vertrauen gelernt hat.

Aber all das war es wert! Ihre Liebe und Zuneigung ist nicht selbstverständlich.

 

Kasi ist der kleine Spaßvogel im Haus, immer gut drauf und gern in Action.

Es vergeht kein Tag, an dem sie uns nicht zum Lachen bringt!

 

Und sie hat uns beigebracht, dass eine Katze besser nicht allein sein sollte.

Das Leben mit einem tollen Katzenkumpel wie Hermine an der Seite ist so viel schöner!

 

 

 

"Am Ende wird alles gut. 

Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende."

Oskar Wilde

 


Teil 7

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Der Anfang von allem

Manchmal schließt sich der Kreis...

Vor kurzem erhielt ich eine Mail mit dem Betreff

"Kasimia - Ein lieber Gruß von den Findern".

Gespannt las ich den Inhalt und konnte es kaum glauben. Die Dame, die Kasi zusammen mit einigen anderen verwilderten Katzen gefunden und eingefangen hat, hat die Katzenmädchen Website entdeckt und sich bei mir gemeldet! Ich habe später mit ihr telefoniert und konnte so die ganze Vorgeschichte erfahren. Das war es also: das letzte Puzzlestück, das uns in Kasis Vorgeschichte gefehlt hat!

 

Kasi stammt aus einem Rudel Streunerkatzen, die zwar die Nähe der Menschen suchten und dabei auf Futter hofften. Richtig zahm waren sie alle nicht. Aber es erklärt, warum Kasi ein sehr soziales Tier ist und gern mit anderen Katzen zusammen ist! 

Letztendlich konnten insgesamt 5 Katzen eingefangen und ins Tierheim gebracht werden, wo sie alle in ein neues Zuhause vermittelt werden konnten.

 

Vielen Dank an die Finderin für die Kontaktaufnahme und die Fotos, aber auch für die gelungene Einfangaktion. Sie hat damit Tierleid verhindert und den Katzen eine Zukunft in einem schönem Zuhause ermöglicht! Ohne sie wäre Kasi heute vermutlich nicht bei uns! ;-)

 

 

Kasi (hinten links) zusammen mit ihrem Bruder und der Mutter auf dem Weg ins Tierheim und in ein besseres Leben
Kasi (hinten links) zusammen mit ihrem Bruder und der Mutter auf dem Weg ins Tierheim und in ein besseres Leben